Schokoladentraum und ein Abend mit Hindernissen

Vergangenen Samstag war ein total schöner Tag. Wir sind nämlich in die Chocolaterie von Ashleys Onkel gegangen. Seine Boutique befindet sich in der Nähe vom Place de la République, mitten im Marais. Ashleys Mutter hatte uns eine Karte mit einer genauen Wegbeschreibung gegeben, trotzdem schafften wir es zunächst am Geschäft vorbeizulaufen. Dass es sich um eine Chocolaterie handelt, kann man auf den ersten Blick aber auch nicht sofort erkennen. Die Schaufenster sind sehr edel mit Blumen dekoriert und die einzelnen Pralinen und Schokoladeneier könnte man auch für Porzellan halten.

Im Verkaufsraum angekommen, bestaunten wir die verschiedenen Pralinen und sogen den Duft der Schokolade ein. Dann kam auch schon Ashleys Mutter, die im Schokolabor des Onkels arbeitet, und führte uns über eine steile Wendeltreppe nach oben. Wir legten unsere Jacken ab und es begann eine kleine Führung durch das Labor. Als jemand, der selber gerne Pralinen herstellt, war dieses Labor für mich eine  kleine Schatzkammer und ich fühlte mich wie im Paradies. Wir durften Schokolade essen, zugucken wie Maracuja-Fruchtgummi gemacht wird und im Ganache-Raum zeigte Ashleys Mutter uns die Schoko-Osterhasen, -Hühner und -Fische, die alle noch bis Ostern ausgeliefert werden müssen. Aber der eigentliche Grund, weshalb wir gekommen waren, war Ashleys Mutter über die Schulter zu schauen, wie diese die Schokoeier anmalt und dekoriert. Sie hat uns gezeigt, dass sie nicht wirklich die Eier anmalt, sondern die Formen, in die die Schokolade anschließend gegossen wird. Jedes Jahr entwirft sie eine neue Kollektion von Motiven und bemalt alles von Hand, sodass jedes Ei ein Unikat ist. In weniger als 10 Minuten hatte sie zwei Formen bemalt, jetzt musste die Farbe nur noch antrocknen. In der Zeit wurde die weiße Schokolade temperiert. Als alles bereit war, wurde die Schokolade zuerst in die Formen und dann wieder herausgegossen. So entsteht ein Hohlkörper. Das gleiche wurde mit dunkler Schokolade wiederholt. Nun muss die Form in den Kühlschrank. Um die Wartezeit zu überbrücken, hatten die Mitarbeiter einen goûter, bestehend aus Flan (einem Pudding-Kuchen), einer Zitronen-Basilikum-Tarte und vielen Pralinen, für uns vorbereitet. Außerdem gab es echte heiße Schokolade. Wir lernten den Chef, also Ashleys Onkel, Jacques Genin, kennen. Er erzählte uns, wie er Fondeur, also Pralinen-Hersteller, geworden war. (Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen Fondeur und Chocolatier. Der eine kriegt die Schokolade schon geliefert und verarbeitet sie dann, so wie Jacques, der andere stellt die Schokolade auch selber her.)

Seine Erfolgsgeschichte klingt ein bisschen nach "vom Tellerwäscher zum Millionär";

Jacques Genin hatte früher als Koch gearbeitet, war zwischendurch arbeitslos und gründete später seine erste Boutique im Marais. Er baute eine Art Familienunternehmen auf, denn außer Ashleys Mutter, die seine Schwägerin ist, arbeitet auch seine Frau in der Boutique mit. Es gibt in Paris auch noch ein zweites Geschäft, das allerdings nicht so groß ist und die Schokolade nur verkauft. Eine weitere Boutique möchte Jacques aber nicht eröffnen, da er befürchtet, die Qualität seiner Produkte könne darunter leiden. Er ist sehr erfolgreich und seine Zitronentarte sowie die Paris-Brest, die man bei ihm kaufen kann, gelten als die besten der Stadt. Trotzdem wirkt er überhaupt nicht abgehoben, sondern hat sich Zeit für uns genommen und viel geredet. Außerdem findet man seine Rezepte im Internet, sodass man sie einfach nachbacken kann.

Fast alles wird von Hand gemacht, es gibt nur wenige Maschinen und alle sind sehr freundlich. Da das Labor relativ klein ist und wir acht Personen waren, standen wir oft im Weg herum, trotzdem waren die Mitarbeiter total nett. 

Als die Schokolade ausgehärtet war, wurde uns gezeigt, wie die Eierhälften aus den Formen genommen und schließlich zu einem Ei zusammengesetzt werden. Dabei ist Präzision und Ruhe das allerwichtigste.

Langsam wurden alle etwas müde, deswegen verabschiedeten wir und bedankten uns. Die Schokolade und den Kuchen, die wir beim goûter nicht gegessen hatten, wurden uns eingepackt, außerdem bekam jeder von uns noch einen Fisch geschenkt, der auch von Ashleys Mutter bemalt worden war. Später schauten wir auf die Preise im Verkaufsraum und stellten fest, dass uns da gerade über 150 Euro geschenkt worden waren! Es war ein super schöner Nachmittag gewesen. Glücklich und zufrieden kehrten wir ins Foyer zurück.

 

Dort hieß es aber nur kurz zu verschnaufen, denn der Tag ging ja noch weiter. Alle machten sich schick, denn dieses Wochenende waren wir entre filles (unter Mädchen) und wir hatten beschlossen Tanzen zu gehen. Eigentlich wollten wir um Viertel vor sieben gehen, da es bei einigen aber länger gedauert hatte, kamen wir erst eine Dreiviertelstunde später los. Deswegen war im Café OZ, einem Tanzcafé, leider kein Platz mehr. Etwas aufgeschmissen liefen wir eine Restaurant-Straße entlang, um wenigsten etwas zu Essen zu finden. Als wir auch hier ohne Erfolg blieben und alle schlechte Laune kriegten, fuhren wir zum Gare Montparnasse. Das ist ein großer Platz mit Kinos, Bars und Restaurants. Wir gingen ins Restaurant Hippotamus. Der einzige freie Tisch für acht Personen war ein hoher Tisch mit Glasplatte und darunter einem Tischkicker. Zunächst waren wir nicht allzu begeistert, doch am Ende stellte sich heraus, dass es der, für uns, beste Tisch gewesen war. Während wir auf das Essen warteten spielten wir eine Runde nach der anderen und hatten viel Spaß. Manchmal blieb der Ball allerdings einfach liegen und wir konnten ihn mit den Spielfiguren nicht mehr erreichen. Das war das Zeichen für mich und meine Mitfreiwillige, den ganzen Tisch, der wirklich sehr schwer war, einmal anzukippen, sodass der Ball weiterrollte. Da wir das einige Male machen mussten, waren unsere Arme danach übersäht mit blauen Flecken. Nachdem wir gegessen und bezahlt hatten, gingen wir ins Shannon. Das ist eine Bar, die bei den Freiwilligen letztes Jahr sehr beliebt war. Die Musik war jedoch nicht ganz unser Geschmack und so ging ich mit Ashley zum DJ um unsere Musikwünsche zu äußern. Vieles wollte er nicht spielen, da es nicht dem "Stil" des Shannon entsprochen hätte, aber immerhin "Let´s twist again" und "99 Luftballons" (das einzige deutsche Lied, das die Franzosen kennen) konnte uns alle auf die Tanzfläche holen. Carine hat eigentlich die ganze Zeit durchgetanzt und gab uns um Mitternacht zu verstehen, dass sie nun müde sei und nach Hause wolle. So haben wir uns auf den Weg gemacht und lagen alle mehr oder weniger um halb eins im Bett. 

Den Sonntag haben wir eher ruhig gestaltet und mit unserem wöchentlichen Abendessen vor dem Fernseher das Wochenende ausklingen lassen.

 

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